Freitag, 21. Juni 2013

3 - Bevölkerungsgruppen: Die Dazusetzer

Good afternoon, dear Lesers,

drei Bevölkerungsgruppen habe ich Euch bereits nähergebracht: Die Busfahrerfreunde, die Dummschwätzer, die Beinzappler und jetzt kommt die Vierte: Die Dazusetzer!
Na, ich bin mir sicher, dass jeder von Euch mindestens schon einmal von einem Dazusetzer malträtiert wurde. Wie? Na, da sind die einfallsreich. Bevorzugt verbal, aber auch gerne olfaktorisch. Aber heute geht es um die verbalen Dazusetzer. Die wohnen in Bushaltestellen, halbleeren Zügen und Bussen, auch mal in Arztpraxen und haben eines gemeinsam: sie sind überkommunikativ und haben auch schon so einen überkommunikativen Gesichtsausdruck, dass man sie schon auf ein paar Metern Entfernung erkennen und davonlaufen kann. Puh!
Aber jetzt mal zur typischen Vorgehensweise eines Dazusetzers. Alterstechnisch sind sie schwer einzugrenzen, gut die Altersklasse ab 65 überwiegt, aber was die Männlein-Weiblein-Balance angeht, so ist diese ausbalanciert. Also: folgende Situation. Ihr sitzt im Zug, Vierersitzgruppe, halber Zug frei. Tür geht auf, neugierige Augen scannen das Abteil und bleiben an Deinem leeren Gegenübersitz oder noch dreister, dem Sitz neben Dir, wo Deine Handtasche sitzt, hängen und die Miene des hereinkommenden Dazusetzers erhellt sich proportional zu der Sonnenfinsternis, die sich zeitgleich über Dein Gesicht legt. Dann gehts schon los. Er kommt, der Dazusetzter und schnauft dabei wie eine Dampflok und macht dabei gerne so Nebengeräusche wie "Pf, Puh, hmpf". Wenn er höflich ist, fragt er, ob der leere Platz gegenüber oder Dein Handtaschensitzplatz noch frei ist, wenn nicht, hockt er sich hin, nicht ohne dabei einen lauten Seufzer von sich zu geben. Auf Deine Bemerkung "Vorsicht, da sitzt mein unsichtbarer Freund!! Jetzt haben Sie sich draufgesetzt!" reagiert er mit einem freudigen Blick, denn Du hast soeben die Konversation eröffnet. Oh oh.
Was jetzt passiert ist folgendes: Du kannst Dein Ohr an den Sitz tackern und Dich in der Zwischenzeit weinend aus dem Zug hängen, denn jetzt kommst Du nicht mehr raus aus der Smalltalk-Monolog-Interessensgrad: Reissack in China- Nummer. Meist geht der Monolog mit "Ist das heiß/ kalt/ windig/nass draußen" los. Du sagst "Mhm". Und das die restliche vergnügliche Zugfahrt lang. Dann kennst Du nämlich nicht nur das momentan draußen vorherrschende Wetter, sondern alle damit verbundenen Zipperlein, Verwandschaftsgrade, Urlaubserlebnisse, Vorlieben, Abneigungen und Hobbies des Dazusetzers. Anschließend steigst Du mit Dumboohren und Nackenschmerzen vom vielen Nicken aus und versuchst, am Ticketschalter der deutschen Bahn Deine Fahrkarte gegen ein Schmerzensgeld einzulösen. Und all das kommt genau einmal im Leben vor, denn dann kennst Du sie, die Dazusetzer und witterst sie, sobald sie zur Tür hineinkommen. Lustiger ist es natürlich, die ganze Chose als Zuschauer zu betrachten, wie eines schönen Tages in der Regionalbahn nach München. Klassische Kombi: eine lesende Frau sitzt auf einem Vierersitz, die Tür geht auf und ich seh schon: uh uh, ein Dazusetzer. Ich setzte gleich mein unsympathischstes, greislichstes Krätzengesicht auf, dass ich nach langjähriger Übung sofort so aussehe, als ob mit mir weder gut Kirschen essen, noch Wetterbeobachtungen anstellen, noch Krankheitsbedauern, noch Reissack in China Umfallmomente zu erörtern sind. Klappt perfekt! Die Lesende ein Stück weiter hat genau diesen Moment versäumt, was der vor sich hin- puh- ende Dazusetzer freudig zur Kenntnis genommen hat und sich der Dame gegenüber hingesetzt hat. "Ist das heiß draußen."
Frau mit Buch (lesend): "Mhm."
Dazusetzer: "Blablabla. Reissack".
Frau mit Buch (lesend): "Mhm."
Dazusetzer: "Reissack. Reissack."
Frau mit Buch (lesend): "Mhm."
Dazusetzer: "Reissack?"
Frau mit Buch (runtergenommen und den Dazusetzer mit einem Gesicht wie ein tasmanischer Teufel anschauend): "Hören Sie, ich möchte jetzt lesen."
Dazusetzer: "Mhm."
Zwei Minuten später.
Dazusetzer: "Reissack."
Frau mit Buch (lesend): "-" (heißt keine Reaktion)
Dazusetzer: "Reissack!"
Frau mit Buch (lesend): "-" (heißt immer noch keine Reaktion)
Dazusetzer: "Reissack!!"
Frau mit Buch (lesend): "-" (heißt immer noch keine Reaktion)
Dazusetzer (ganz beleidigt): "Hallo???"
Frau mit Buch (lesend): "-" (heißt immer noch keine Reaktion)
Der Dazusetzer gibt auf. Schaut kommunikativ in meiner Richtung. Wie ein Neonschild leuchtet mein Krätzegesicht in seine Richtung.
Der Dazusetzer hält die Waffel.
Win- Win- Situation ;) Also die Buchfrau und ich haben gewonnen. :)
Seitdem habe ich alle potentiellen Dazusetzer abblitzen lassen, ich habe einfach keine Lust und mir ist auch meine Zeit zu schade, als nickender Wackeldackel für ellenlange Laberer herzuhalten.Wenn der Dazusetzer wenigstens was Interessantes zu erzählen hätte, was Lustiges, Spannendes, aber ne, diese Bevölkerungsgruppe hat das leider nicht so drauf. Aber Ihr wißt ja jetzt, was man tun muß, um nicht als Zugfahrtwackeldackel zu enden.

Einen schönen Freitag wünscht Euch Euer Frollein, das keine Lust hat, im Namend des Reissacks herumzuwackeldackeln




Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen